2002 | Jahrestagungen

33. Jahrestagung in Heidelberg

Plastische Operationen kein Tätigkeitsgebiet für Autodidakten

Vom 18. bis 21. September 2002 fand in Heidelberg der gemeinsame Jahreskongreß der VDPC und der VDÄPC statt. Für die VDPC war es bereits der 33. Jahreskongreß, die VDÄPC ist seit sieben Jahren dabei. Die Tagung wurde organisiert und geleitet von Prof. Günter Germann und seinen Mitarbeitern von der BG-Unfallklinik in Ludwigshafen. Der Kongreß war mit über 600 Teilnehmern in diesem Jahr einer der größten seiner Art in Europa: Den Veranstaltern lagen über 325 Vortragsanmeldungen vor, daraus wurden 122 Vorträge für die VDPC-Tagung und 54 Vorträge für die VDÄPC-Tagung ausgewählt. Zusätzlich wurden 54 Poster zugelassen. In einer Pressekonferenz am 18. September gaben der Tagungspräsident, VDPC-Präsident Prof. Hans-Ulrich Steinau, Bochum, VDÄPC-Präsidentin Dr. Constance Neuhann-Lorenz, München, und die Vorsitzende der Qualitätssicherungskommission der VDPC/VDÄPC, Dr. Marita Eisenmann-Klein, Regensburg, den Journalisten Auskunft über die wichtigsten Themen des Kongresses.

Weichteiltumoren: Rekonstruktion statt Amputation
Im Falle bösartiger Weichteiltumoren, aber auch bei der Entfernung rein auf die Haut beschränkter Tumore wie Plattenepithelkarzinome oder Narbenkarzinome in chronischen Wunden, hinterläßt eine radikale Resektion oft sehr große Defekte. Deren Deckung war früher nicht möglich. Bei Tumoren der Extremitäten – so Professor Steinau – blieb dann meist nur die Möglichkeit der Amputation. Durch neue Techniken und durch Kooperation unterschiedlicher Disziplinen ist heute eine Amputation in vielen Fällen vermeidbar, was sich ganz erheblich auf die Lebensqualität des Patienten auswirkt. An die Stelle der extremen Operationen sind heute multimodale Therapiekonzepte getreten, die individuell an den Tumortyp, das Erkrankungsstadium und den Zustand des Patienten angepaßt werden. Wie umfangreiche Studien in den letzten zehn Jahren gezeigt haben, führen schonende extremitätenerhaltende Operationen im Vergleich zur Amputation nicht zu einer Verringerung der Lebenserwartung.

Um bei einer ausreichenden onkologischen Radikalität die Funktion des Organs bzw. der Extremitäten möglichst vollständig zu erhalten und gleichzeitig eine zufriedenstellende ästhetische Wiederherstellung erreichen zu können, werden verschiedene Techniken der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie eingesetzt. Ganz wichtig sind dabei mikrochirurgische OP-Techniken. So können heute beispielsweise auch bei Eingriffen, die eine Entfernung großer Knochenanteile verlangen, durch Einsatz gefäßgestielter, mikrochirurgisch übertragener körpereigener Knochentransplantationen in vielen Fällen Amputationen vermieden werden. Selbst in Fällen, in denen eine Amputation unvermeidlich ist, ermöglicht es die plastische Chirurgie häufig, einen Teil der Extremität zu erhalten.

Faltenbehandlung mit Botox: „Fastfood-Zweig der Schönheitsindustrie“
Im Trend sind derzeit Faltenbehandlungen mit Botulinumtoxin, das unter den Markennamen Botox® oder Dysport® vertrieben wird. Leider – so VDÄPC-Präsidentin Dr. Neuhann-Lorenz während der Heidelberger Pressekonferenz – befinden sich unter den Anbietern auch immer wieder schwarze Schafe, die mit unlauterer Werbung versuchen, ihren Profit aus dem Boom zu schlagen. Den Patienten empfiehlt C. Neuhann-Lorenz, auf jeden Fall den Rat eines ästhetisch-plastischen Chirurgen einzuholen, denn die notwendigen Kenntnisse seien bei Ärzten anderer Fachrichtungen, wie Haut- oder HNO- Ärzten, nur teilweise vorhanden. Schwerwiegende Nebenwirkungen durch Botox-Injektionen seien bisher nicht aufgetreten, jedoch wisse man noch wenig über die Immunreaktion des Körpers auf die Substanz. Falsch injiziert kann das Botulinumtoxin zu Lähmungen der Gesichtsmuskulatur führen.

Fettabsaugung: Kein Mittel zur Gewichtsreduktion, sondern ein ernstzunehmender Eingriff
Viele Menschen sehen in einer Fettabsaugung eine Chance, ihr Übergewicht loszuwerden. Doch damit wird diese Methode gründlich mißverstanden. Die Liposuktion ist kein Mittel zur Gewichtsreduktion, so Prof. Germann. Es handle sich vielmehr um eine Möglichkeit zur Beseitigung „örtlicher Fettgewebsfehlverteilungen“, also ein Verfahren zur Körperformung. Als typisches Anwendungsbeispiel nannte er das Mißverhältnis zwischen der Menge des Fettgewebes an Hüften und Oberschenkeln einerseits und dem restlichen Körper andererseits, auch als „Reithosen“ bezeichnet.

Zwar treten bei der Fettabsaugung insgesamt nur wenige schwere Komplikationen auf, doch sei das Verfahren nicht zu unterschätzen. Bei der Absaugung entstehe eine großflächige Wunde unter der Haut – diese Wundfläche führt überhaupt erst zum gewünschten Effekt. Der Eingriff sei daher sehr sorgfältig durchzuführen. Insbesondere sei eine Thromboseprophylaxe wichtig. Daneben gelte es zu beachten, daß die Höchstmengen von Infiltration der Tumeszenzlösung und des insgesamt gewonnenen Aspirats nicht überschritten werden. Die gesamte Komplikationsrate liegt, laut G. Germann, bei etwa neun Prozent – darunter auch Todesfälle. Patienten sollen sich daher nur in die Hände eines Routiniers begeben. Außerdem müßten die Ursachen für das Auftreten der Komplikationen noch genauer erforscht werden.

Nach medizinischen Indikationen für eine Liposuktion gefragt, nannte G. Germann den Morbus Madelung, chronische Infektionen bei überhängenden Schürzen und Lymphödeme. Außerdem kann als Vorbereitung für eine prothetische Versorgung eine Fettabsaugung angezeigt sein. In zunehmendem Maße tauchen in den Praxen der Plastischen Chirurgen auch Patienten auf, die von einem nicht als Plastischer Chirurg ausgebildeten Arzt Fett absaugen ließen und nun mit dem Resultat nicht zufrieden sind. Angesichts des immer größeren Interesses an der Fettabsaugung sehen es die plastisch-ästhetischen Chirurgen als eine der vordringlichsten Aufgaben an, den Patienten eine optimale Beratung zu bieten, ihnen mögliche Alternativen aufzuzeigen und schließlich erst nach ausreichender Bedenkzeit einen Eingriff vorzunehmen. Nur durch diese Einbindung des Patienten in den Entscheidungsprozeß werden seine individuellen Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt, unrealistische Vorstellungen über das Endergebnis vermieden und die Zufriedenheit insgesamt gesteigert.

Chronische Wunden: Ein unterschätztes und teures Problem
Auf rund eine Milliarde Euro im Jahr schätzen Experten die Kosten chronischer, nicht heilender Wunden. Dieser gewaltige Betrag setzt sich aus Behandlungskosten sowie Produktivitätsausfällen zusammen. Den größten Anteil der Patienten stellen Menschen mit den Risikofaktoren Durchblutungsstörung, Diabetes oder Venenfunktionsstörung. Ein Drittel der Kosten, die für Diabetiker aufgebracht werden müssen, gehen auf das Konto nicht heilender Wunden. Aber auch bei sonst völlig gesunden Patienten kann es zum Beispiel nach Unfällen zur Ausbildung chronischer Wunden kommen. Bei der Behandlung haben naturgemäß konservative Behandlungsmethoden Vorrang, doch die Versuche, die Wunden mit diesen Methoden zu schließen werden oft zu lange ausgedehnt. In einer Studie der Klinik für Verbrennungen, Plastische und Handchirurgie der BG- Unfallklinik Ludwigshafen – Plastische und Handchirurgie der Universität Heidelberg – wurde ermittelt, daß die Behandlungszeiten chronischer Wunden, bevor eine operative Deckung der Defekte angestrebt wurde, zwischen vier Monaten und 24 Jahren lagen. Die operativen Verfahren umfassen alle Methoden der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie von der einfachen Spalthauttransplantation bis zur mikrochirurgischen Übertragung von Haut- oder Muskellappen. Das operative Behandlungskonzept muß dabei individuell auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten abgestimmt werden. Daneben sollte – soweit dies möglich ist – eine Sanierung der Grunderkrankung stattfinden.

Coaching System zur Sicherung der Qualität
Über die Qualitätssicherung bei der VDÄPC berichtete M. Eisenmann-Klein, Vorsitzende der Qualitätssicherungskommission des VDÄPC und Chairperson des Committee on Quality Assurance der International Confederation of Plastic Reconstructive and Aesthetic Surgery. Das neueste Projekt der Kommission ist die Einführung eines Coaching Systems. Im Rahmen des Strategischen Coaching Programmes werden gemeinsam Operationstechniken weiterentwickelt, Kommunikationstechniken verfeinert und Strategien zur Qualitätsoptimierung erarbeitet. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich der Begehungen. Bereits seit 1992 gibt es Klinik- und Praxisbegehungen, jetzt wurde das bisherige System in Anlehnung an das System der American Association for Accreditation of Ambulatory Surgery Facilities (AAAASF) erweitert. Im Jahr 2002 hat sich die Qualitätssicherungskommission darüber hinaus intensiv mit der Einführung einer Registrierung von Brustimplantationen (International Breast Implant Registry) befaßt. Während der im Juli 2002 stattfindenden Konsensus Konferenz des European Committee on Quality Assurance and Medical Devices (EQUAM) wurden die dafür vorgesehenen Dokumentationsbögen noch einmal überarbeitet. Um die Praktikabilität des neuen Bogens zu überprüfen, werden derzeit in Deutschland in einer Pilotphase die Daten von 50 Patientinnen erfaßt. Bei den Public Hearings über Brustkrebs vor dem Europaparlament ist Frau Eisenmann-Klein als Expertin für Fragen der Qualitätssicherung bei Eingriffen mit Brustimplantaten geladen. R. Karcher“

Quelle: „Plastische Chirurgie“, Heft 1, März 2003
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