2000 | Ehrenmitglieder
Ehrenmitgliedschaft Prof. Dr. med. Neven Olivari
Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen im September 2000 in Magdeburg.
Präsident Prof. Dr. med. Peter Eckert verleiht Prof. Dr. med. Neven Olivari die Ehrenmitgliedschaft.
Die Laudatio hält Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Steinau:
„Sehr verehrte Festgäste,
ich beginne unter ungewöhnlichen Rahmenbedingungen eine Lobrede in Abwesenheit des Laureaten, der erkrankt war und sich glücklicherweise in der Rekonvaleszenz befindet. Er hat diese Form gewählt und deshalb gehen unsere besten Genesungswünsche und mein Vortrag direkt über den Äther zu ihm.
Sehr geehrter Herr Professor Olivari, lieber Neven, die Erfassung einer erfolgreichen Persönlichkeit und ihres Lebensweges unterliegt mannigfaltigen Beurteilungsparametern. Je nach Blickwinkel, emotionaler Beziehung, Zielsetzung und Wertschätzung sammeln und sortieren wir nüchterne Daten, Reden, Publikationen und Hinweise von Zeitgenossen und schließlich solche und solche Stories.
Am Anfang steht jedoch immer ein Präsident, der mit leicht süffisantem Mienenspiel die Aufgabe delegiert: Ich habe sie sehr gerne angenommen und will versuchen, Curriculum vitae und persönliche Aspekte zu verquicken.
Neven Olivari wurde am 28. Oktober 1932 in Gradac, Kroatien, geboren. Nach dem Besuch der Volksschule von 1939 bis 1944 wechselte er in das Gymnasium nach Osijek und erhielt dort 1951 das Reifezeugnis. Das Studium der Medizin absolvierte er von 1952 bis 1954 in Sarajevo, anschließend in Rijeka und legte 1958 das Staatsexamen sowie die Promotionsprüfung an der Universität Zagreb ab.
Nach der Medizinalassistentenzeit wurde er zum Wehrdienst eingezogen und arbeitete schließlich 1960 zunächst als praktischer Arzt bei der Gesundheitsbehörde der Stadt Rijeka. Die chirurgische Ausbildung erhielt er von 1960–1964 zunächst am Dreifaltigkeits-Hospital in Lippstadt/Westfalen und begann dann seine plastisch-chirurgische Ausbildung an der Abteilung für Plastische Chirurgie der Universität Köln (Professor Dr. Dr. J. Schrudde). Von 1965 bis 1970 absolvierte er die zusätzliche allgemeinchirurgische Zeit am II. Chirurgischen Lehrstuhl der Universität Köln (Prof. Dr. W. Schinck). 1968 wurde ihm die Facharztanerkennung für Chirurgie zugesprochen, 1970 wurde er zum Oberarzt der Klinik für Plastische Chirurgie der Universitätsklinik Köln ernannt.
Es folgte 1977 die Habilitation für das Fach Plastische Chirurgie an der hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln über „Chirurgische Frühbehandlung von Verbrennungen“. 1978 folgte dann die Anerkennung als Facharzt für plastische Chirurgie, 1992 die Ernennung zum apl. Professor. Von 1982 bis zum Ruhestand arbeitete er als Chefarzt der Abteilung für Plastische Chirurgie am Dreifaltigkeits-Krankenhaus in Wesseling.
Während seiner aktiven Phase verfaßte Neven Olivari mehr als 200
Publikationen, darüber hinaus beteiligte er sich regelmäßig an Kongressen, Fortbildungs- und Weiterbildungskursen.
Die Vita eines erfolgreichen plastischen Chirurgen enthält Innovationen oder besondere Schwerpunkte, die seine nationale und internationale Reputation begründen. Während die Mehrzahl dieser klinischen und experimentellen Großtaten von heute in wenigen Jahrzehnten nur noch mit mokantem Lächeln zitiert werden, hat Neven Olivari Bleibendes zu verzeichnen. Mit der Wiederbelebung der Latissimus-dorsi-Plastik und der Definition seiner axialen Gefäßversorgung gebührt ihm 1976 die Ehre der Erstpublikation. Wie erkennt man ihren klinischen und wissenschaftlichen Rang? Wenn die transatlantische Gedächtnisschwäche in englischen Publikationen Zitate verdrängt oder vergißt, darf man sich seiner Leistung besonders freuen.
Die zweite herausragende Innovation betrifft die Entwicklung und Systematisierung der transpalpebralen Korrektur des Exophthalmus. Mit subtiler Technik und feinem Händchen erzielte Neven Olivari Ergebnisse und Fallzahlen, die international als außergewöhnlich beurteilt werden.
Als äußeres Zeichen der besonderen Wertschätzung erhielt Neven Olivari vielfache Ehrungen:
1977 Mitgliedschaft in der British Association of Plastic Surgeons.
1978 Gastlektor an der University of Glasgow Scotland.
1980 Verleihung der bronzenen Plakette „Fondazione Sanvenero Roselli“, Universita di Milano“ für die Entwicklung des Latissimus dorsi-Lappens.
1980 Verleihung der korrespondierenden Mitgliedschaft der Belgischen Gesellschaft für Chirurgie.
1982 Gastprofessor an der University of Norfolk, U.S.A.
1988 Ehrenpreis der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen für die Entwicklung des Latissimus dorsi- Lappens.
1991 Award for the best clinical paper in Plastic and Reconstructive Surgery, USA, „Transpalpebral decompression of endocrine ophthalmopathy (Graves Disease) by removal of intraorbital fat: Experience with 147 operations over 5 years“.
1994 Mitgliedschaft in La Academia de Medicina de Colombia.
1995 Gastprofessor des Royal Australian College of Surgeons, Division of Plastic and Reconstructive Surgery. Horbat–Adelaide– Brisbane, Australien.
1997 Ehrenmitglied der Kroatischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.
1999 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse von Herrn Bundespräsidenten Herzog für Entwicklung und klinische Anwendung des Latissimuslappens und die Inauguration „Neue operative Methode für die Behandlung Basedow’scher Augen“.
Für die Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen engagierte er sich vielfach:
So zählt er 1968 zu den Gründungsmitgliedern der VDPC, arbeitete seit 1977 wiederholt als Vorstandsmitglied der VDPC und schließlich der VDÄPC. 1986 richtet er als Kongreßpräsident der VDPC in Bonn den Jahreskongreß aus. 1991 wählt ihn die Mitgliederversammlung zum Präsidenten der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen. Heute steht er uns als Mitglied des Ethik- und Ehrenrates zur Verfügung.
Neben diesen beruflichen Qualitäten und dem Engagement für die plastische Chirurgie sollen auch einige Facetten seiner Persönlichkeit nicht unberücksichtigt bleiben: Neven Olivari zeichnet sich durch Offenheit, Geradlinigkeit und unkomplizierte Hilfsbereitschaft aus. Seine Schüler schätzen seine Geduld und freundliche Unterstützung. Bei der Gründung der VDPC hat er den genetischen Pool der deutschen plastischen Chirurgie um kreative Leichtigkeit und musische Begabung bereichert: Wer Neven erlebt und seine Kunstwerke hört oder betrachtet, denkt, daß die Musen bei ihm vergessen haben, das Füllhorn wieder zu verschließen.
Im Alltag war Neven Olivari nie ein Petrischalenjünger und stets dem aktiven klinischen Eingreifen zugetan. Sein breites klinisches Publikationsspektrum reicht von der Therapie schwerer Brandverletzungen über onkologische Rekonstruktionen, ästhetische Korrekturen und posttraumatische Defektchirurgie bis hin zur Korrektur komplexer angeborener Fehlbildungen.
Gibt es in einer erfolgreichen Vita auch Wermutstropfen? Ich habe ihn bewundert, mit welcher Stärke er selbst persönliche Kränkungen im Rahmen von Berufungsverfahren hingenommen hat, die deutsche Universitätslandschaft erlaubt leider nicht immer „the survival of the fittest“ und ein innovativer Charakter muß mit der regulären Betriebsblindheit des Mittelmaßes rechnen. Aber dies hat Deinen Lebensweg nur unwesentlich beeinflußt. Aus dem unbekannten kleinen Krankenhaus in Wesseling bei Bonn wurde unter Deinen Händen eine plastisch-chirurgische Klinik mit nationaler und internationaler Reputation.
Lieber Neven, Du hast es geschafft, nach Deiner Pensionierung ohne Groll und patriarchalisches Murren loszulassen und Deinem Nachfolger alle Wege zu ebnen. Im Gegensatz zu Deiner persönlichen Einschätzung – ich zitiere wörtlich: „Junge, wenn man geehrt wird, ist man alt“ habe ich einen völlig anderen Eindruck von Dir behalten. Hinsichtlich weiterer Aktivitäten auf dem medizinischem Sektor erwarten wir mit Spannung die Monographie zur endokrinen Orbitopathie.
Im Namen der VDPC-Mitglieder wünsche ich Dir zunächst – im dritten Anlauf – einen erholsamen Urlaub als Freizeitkapitän und für die Zukunft Dir und Deiner Gattin Gesundheit und gemeinsame glückliche Jahre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, summieren wir die Verdienste von Professor Dr. Neven Olivari für die deutsche plastische Chirurgie, so trägt die VDPC einem engagierten Arzt, herausragenden Operateur, akademischen und klinischen Vorbild, die Ehrenmitgliedschaft an.
Ich danke Ihnen für diese Entscheidung.“
Quelle: „Plastische Chirurgie“ 1/2001