1988 | Ehrenmitglieder

Ehrenmitgliedschaft Prof. Dr. med. Ursula Schmidt-Tintemann

Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen vom 22.-25.09.88 in Stuttgart.
Präsident Prof. Dr. G. Lemperle verleiht Prof. Dr. med. Ursula Schmidt-Tintemann die Ehrenmitgliedschaft.

Laudatio (Ausschnitt):

„Meine sehr verehrten Damen und Herren,

anstelle des inzwischen obligaten berufspolitischen Rückblicks darf ich heute zwei verdienten Mitgliedern unserer Vereinigung die Ehrenmitgliedschaft antragen. Frau Prof. Dr. Ursula Schmidt-Tintemann, der großen Dame der deutschen plastischen Chirurgie, und Herrn Prof. Dr. Josef Schrudde, dem 1. Ordinarus für Plastische Chirurgie an einer deutschen Universität. Beide haben die Geschichte der deutschen Plastischen Chirurgie nach dem Kriege mitgeschrieben, beide sind Gründungsmitglieder dieser Vereinigung, beide haben während ihrer Präsidentschaft die Geschicke dieser Vereinigung gelenkt, und dem unermüdlichen Einsatz beider ist das heutige Ansehen der Plastischen Chirurgie in Deutschland zu verdanken.

Als Frau Schmidt-Tintemann im Jahre 1956 ihren Facharzt für Chirurgie machte und sich entschloß plastischer Chirurg zu werden, war der Begriff „plastische Chirurgie“ in Deutschland entweder unbekannt oder wurde mißverstanden. Dies, obwohl ihn Zeis mehr als 100 Jahre früher geprägt und ihn Ärzte wie z. B. von Graefe und Dieffenbach mit operativer Praxis und wissenschaftlicher Erkenntnis erfüllt hatten.

Frau Schmidt-Tintemann erhielt ihre plastisch-chirurgische Ausbildung an berühmten Zentren in Wien, East Grinstead, New York, St. Louis, Galveston und San Franzisco. Zurück in München am Krankenhaus rechts der Isar versuchte sie von Anfang an zunächst das eigene Krankenhaus von den Möglichkeiten der plastischen Chirurgie zu überzeugen. Innerhalb von 10 Jahren baute sie eine der ersten und renommiertesten Abteilungen für Plastische Chirurgie auf, die inzwischen besonders viele Gäste aus dem In- und Ausland anzieht. Nach der Umstellung vom Städtischen Krankenhaus zur Universitätsklinik wurde sie für das Fachgebiet Plastische Chirurgie habilitiert. Mittlerweilen gingen aus dieser Abteilung weitere 7 Habilitanten hervor. Unter ihrer Ägide wurden die ersten abgetrennten Finger in größerem Umfange replantiert, regelmäßige mikrochirurgische Kurse abgehalten, und von ihren Oberärzten mehrere große Abteilungen an deutschen Krankenhäusern besetzt. Neben ihrer Mitherausgeberschaft an der Zeitschrift „Chirurgia plastica“ zeugen viele Publikationen von ihrem wissenschaftlichen Engagement, aus denen nur zwei herausgegriffen werden sollen: die Grundsätze der Plastischen Chirurgie in Breitner’s Operationslehre 1970 und „Zur Lage der Plastischen Chirurgie“ in den Heften zur Unfallheilkunde 1972.

Berufspolitisch war Frau Schmidt-Tintemann schon sehr frühzeitig engagiert, zunächst über mehrere Jahre als Schriftführerin der Deutschen Gesellschaft für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie. Als durch das Hinzutreten vieler HNO-Ärzte und Kieferchirurgen die Schwerpunkte auf die regionale plastische Chirurgie verlagert wurden, legte sie 1978 sehr mutig und spontan ihr Amt nieder und trat gemeinsam mit den Herren Buck-Gramcko, Müller und Zellner aus der Gesellschaft aus. Zusammen mit diesen gründete sie 1968 die „Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen“ und organisierte 1970 den ersten wissenschaftlichen Kongreß in München. Als Präsidentin unserer Vereinigung von 1974-1977 nahm sie an zahlreichen Sitzungen und Diskussionen der Bundesärztekammer mit dem Ziel teil, einen „Facharzt für Plastische Chirurgie“ zu erreichen. Es kam schließlich zur Teilgebietsbezeichnung und ihre Empfehlungen mündeten in der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Bayerns vom 1.1.1978 und gaben Beispiel für andere Landesärztekammern in der BRD.

Während ihrer dreijährigen Tätigkeit als Vorsitzende der Sektion „Plastische Chirurgie“ in der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie nahm sie entscheidenden Einfluß bei den Präsidiumsmitgliedern und erreichte für diese Sektion einen festen Platz im wissenschaftlichen Programm der Chirurgenkongresse. Der Respekt, den die Allgemeinchirurgen zunächst ihrer Persönlichkeit entgegenbrachten, ist inzwischen mancherorts auch unserem Fachgebiet gegenüber zu spüren.

Frau Schmidt-Tintemann ist eine bewundernswerte Frau, die mit diplomatischem Geschick, aber immer integer die Entwicklung der plastischen Chirurgie in Deutschland vorangetrieben hat. Sie wurde so zum Vorbild für eine ganze Generation plastischer Chirurgen. 1984 gab sie die Leitung der von ihr gegründeten Abteilung für Plastische Chirurgie an Herrn Biemer weiter, nachdem sie ihre Lebensaufgabe, die Anerkennung der Plastischen Chirurgie als chirurgisches Fach erfüllt sah.

Für ihr unermüdliches berufspolitisches Engagement, die Gründung und Entwicklung dieser Vereinigung und die großen Dienste, die sie unserem Fach in der Öffentlichkeit erwies, verleiht ihr die Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen die Ehrenmitgliedschaft. (…)“

Quelle: VDPC-Mitteilungsblatt Nummer 6, März 1989